Das Geflügel
Das Fleisch vom zahmen, ausgewachsenen Geflügel ist reich an Eiweißstoffen, dagegen arm an Leimstoff und setzt deshalb beim Braten wenig Fett ab. Beim jungen Geflügel ist das entgegengesetzte der Fall. Die Nahrung vom zahmen Geflügel eignet sich besonders für Vollblütige, Hämorrhoidalleidende. Beim Einkauf muss man darauf sehen, dass man junges, gut gemästetes Geflügel kauft; dasselbe erkennt man an der vollen Brust, an den weichen, biegsamen Knochen, am weißen Fleisch, an der zarten Haut, an kleinen, zerbrechlichen Schnäbeln, an der Farbe und Feinheit der Füße.
Bei den Hühnern sind die unter zwei Jahren zum Braten, die älteren zur Suppe geeignet; das Fleisch der Hennen ist durchweg zarter als das der Hähne. Für Magenkranke eignen sich am besten gebratene oder gedämpfte junge Hühner; Suppen von alten Hennen und das gedämpfte und gebratene Fleisch von Hühnern eignet sich für jeden Kranken und Genesenden, während die delikaten, fetten, in Frankreich gezüchteten Poularden sich nur für gesunde Feinschmecker eignen. Hühnerbraten ist, gut zubereitet, für die feinste Tafel ein Leckerbissen.
Der Truthahn hat trotz seiner Größe ein sehr zartes Fleisch. Ältere, also Tiere vom zweiten Jahre an, müssen einige Tage hängen, um mürbe zu werden. Alte Truthähne sind nur zu Suppen verwendbar. Sie sind zu erkennen am starken Haarbüschel auf dem Kopfe, an rauer, lederartiger Haut, starken, roten Beinen, während die jungen gräulich weißliche, zierliche Füße haben. Die Zeit des Genusses vom Truthahn ist von Dezember bis Ausgang März.
Tauben sind das ganze Jahr gleich gut, aber am billigsten im Sommer. Junge Tauben geben einen sehr guten Braten für Genesende und Kranke, alte Tauben eine vortreffliche Suppe.
Die Gans, die besonders in Norddeutschland sehr beliebt ist, liefert jung Genesenden und Gesunden ein gleich zuträgliches Fleisch. Dagegen sind die gemästeten Herbstgänse ihres Fettes wegen nur Gesunden anzuraten, Was am besten an der Gans schmeckt, die gut gebratene fette Haut, ist am schwersten verdaulich.
Beim Einkauf des Geflügels beobachte man, dass die Schnäbel des Jungviehs sich leicht brechen, die Flügelfedern sich leicht ausreißen lassen; bei den gemästeten sehe man darauf, dass das Fett nicht gelb ist, weil dies ein Zeichen, dass sie mit Leinsamen gefüttert sind, wodurch sie einen öligen Geschmack erhalten.
Die Ente hat, wenn sie jung ist, noch zarteres Fleisch als die Gans und eignet sich zum Braten für Gesunde und Kranke, obgleich viele behaupten, dass sie Ente schwer zu verdauen sei. Jedenfalls ist sie in ihrer eigenen Ernährung sehr wenig wählerisch wie das Schwein, und man behauptet auch, dass sie Trichinen habe.
Das wilde Geflügel oder Federwild hat höheren Nährwert als das zahme und einen
pikanteren Geschmack. Wenn es jung ist, wird es leicht verdaut und eignet sich
deshalb für Magenkranke und Genesende.
Das Federwild, welches immer auf dem Fluge ist, kräftigt durch diese Arbeit
besonders die Muskeln der Brust, weshalb diese sehr fleischig ist und die
besten Stücke gibt. Zu erwähnen ist, dass man das Eingeweide des Wildgeflügels
nicht fortwerfen soll; z.B. sind die kleinen bitteren Lebern bei
Feinschmeckern sehr beliebt und stärken die Magennerven.
Die wichtigsten Arten des Wildgeflügels sind:
- das Rebhuhn,
- das Haselhuhn,
- das Schneehuhn,
- der Auerhahn,
- der Fasan,
- die Waldschnepfe,
- die Bekassine,
- die Trappe;
- die Wildgans,
- die Wildtaube,
- die Wildente,
- der Krammetsvogel.
Verwerflich ist es, die kleinen Singvögel wegen ihres kaum nennenswerten Fleisches zu töten, weshalb ich diese hier gar nicht aufführe.
Da das Wildgeflügel wenig Fett hat, umhüllt man es bei der Zubereitung mit Speck, was den Wohlgeschmack noch erhöht.
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Hiermit wäre die reihe der Fleischarten geschlossen, obwohl ich manche wohlwissentlich nicht besprochen habe, die bei uns gar nicht gebräuchlich sind, wie z.B. die Bären und anderes mehr.
Ich möchte bei der Wichtigkeit und Allgemeinheit der Fleischkost nur noch kurz angeben, welche Schädlichkeiten durch dieselben entstehen können, wenn man die Winke nicht beachtet, welche Männer der Fachwissenschaft und die Erfahrung geben.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass rohes Fleisch schwerer verdaulich ist, als durch Erhitzung zubereitetes, weil der Magen ersteres weit schwerer auflöst. Eine Ausnahme macht feingeschabtes rohes Fleisch, es ist dies eine von Ärzten empfohlene kräftige Nahrung, welche nur den Nachteil, besonders für Kinder, hat, dass das rohe geschabte Fleisch Träger von Eingeweidewürmern sein kann. Die leichtere Verdaulichkeit des gebratenen, gedämpften oder gekochten Fleisches besteht darin, dass das im Fleisch enthaltene Bindegewebe, welches die einzelnen Muskelfasern zu Muskelbündeln und schließlich zu Muskeln verbindet, in Leim umgewandelt wird. Unterstützt wird diese Wirkung durch eine im Muskel vorhandene Saure. Dies Säure tritt von selbst im toten Muskel auf, aber erst nach einiger Zeit; das ist der Grund, warum wir frisch geschlachtetes Fleisch nicht verwenden, sondern es einige Zeit liegen oder hängen lassen, um es mürbe zu machen.
Wollen wir gutes saftiges Fleisch auf die Tafel bekommen, so müssen wir es beim Kochen je nach der Größe oder der Art des Stückes längere Zeit auf einer Temperatur erhalten, die nicht höher als 60 bis 70 Grad ist. Die Temperatur regelt sich von selbst bei großen Stücken, weshalb diese einen besseren Bratren geben.
Wollen wir Fleisch längere Zeit aufbewahren, ohne dass es gesundheitsschädlich wird, so müssen wir ihm das Wasser entziehen. Es geschieht dies
- durch Trocknen an der Luft,
- durch Räuchern,
- durch Einsalzen
- oder durch Einkochen in luftdicht verschlossenen Büchsen.
Beim Einsalzen verliert es an Nährwert.
Als ungenießbar betrachte man:
- Das Fleisch von Tieren, die an innerer Krankheit gestorben oder während des Absterbens getötet worden sind. Auch das Fleisch von gesunden Tieren, die infolge von erschöpfender Anstrengung gestorben sind, ist schädlich. Bei solchen Tieren ist das Fleisch entfärbt und mürbe, das Blut flüssig und schwarzrot, und die Fäulnis tritt schnell ein.
- Das Fleisch von Tieren mit ansteckender Krankheit, die auf den Menschen
übertragbar sind; hier kommen besonders in Betracht:
- Rotzkrankheit,
- Milzbrand,
- Tuberkulose,
- Blutkrankheit.
- Fleisch mit Parasiten, die sich im Menschen weiterentwickeln können, wie Finnen, Trichinen.
- Fleisch von Tieren mit schweren Infektionskrankheiten, dazu gehören:
- Auszehrung,
- Krebs
- und so weiter.
- Faules, bereits in Verwesung übergehendes Fleisch, welches um so schädlicher, je mehr die Fäulnis vorgeschritten ist, und endlich
- Bleihaltiges Büchsenfleisch, von dem die oberste Schicht sehr oft Bleisalz enthält, wenn die Verlötung unzweckmäßig zu dick aufgetragen war.
Genießbar ist von kranken Tieren nur dann das Fleisch, wenn Lokalleiden vorhanden waren, die keine Infektionsherde bilden, also keinen Zerstörungsprozess zur Folge haben.
Die beste Sicherheit vor ungenießbaren Fleisch ist obligatorische Fleischschau verbunden mit öffentlichen Schlachthäusern; wo diese nicht sind, ist doppelte Vorsicht geboten.