V. Hülsen- und Mehlfrüchte
Wir gehen nun zu den aus dem Pflanzenreiche kommenden Nahrungsmitteln über, welche Wert für den Aufbau und die Erhaltung des Körpers durch ihren Gehalt an Pflanzen-Eiweiß, Stärkemehl und anorganischen Salzen haben.. Während in den Erzeugnissen aus dem Tierreiche das Eiweiß das Vorherrschende war, überragt in den Pflanzen der Kohlenstoff oder die Kohlenhydrate, Stärkemehl und Zucker; sowohl Tiere als auch Pflanzen haben noch einen Nährstoff gemeinsam, das Fett, welches wir bei den Pflanzen Öl nennen.
Die Pflanzennahrung bietet für unsere Lebenserhaltung die verschiedensten Werte, wollen wir diese nach Kategorien bestimmen, so sind die wertvollsten: Hülsen- und Halmfrüchte, nach ihnen die Knollengewächse, das frische Gemüse und das Obst.
Die Hülsenfrüchte, unter denen man den reifen, trockenen Samen der Leguminosen versteht, enthalten in einer schwer löslichen Schale eine Anzahl von Nährstoffen, die sie der Milch und dem Fleisch sehr ähnlich machen, vor allem das Eiweiß. Bohnen, Erbsen, Linsen sind die vorzüglichsten Nahrungsmittel und verdienen im Haushalt eine weit größere Beachtung als bisher, wo man sie mehr als die Nahrung des armen Mannes betrachtete. Vorherrschend in den Hülsenfrüchten ist das Legumin oder der Pflanzenkäsestoff, neben diesem enthalten sie Stärkemehl, Pflanzenzellstoff, Fett, Wasser und Aschebestandteile . Kocht man die Hülsenfrüchte, so quillt die Stärke zu Kleister auf. Der Pflanzenkäsestoff ist in ihnen in so dichter Lösung vorhanden, dass er innerhalb der Zellen vollständig gerinnt, wenn amn sie sofort der Siedehitze aussetzt. Aus diesem Grunde muss man Hülsenfrüchte stets mit kaltem Wasser aufsetzen und nur allmählich erhitzen, sonst werden sie nicht weich; ja es empfiehlt sich, dieselben vor Gebrauch 10 – 12 Stunden in kaltem Wasser zu weichen, wodurch sie auch ausgiebiger werden. Bekannt ist, dass man die Hülsenfrüchte nicht mit hartem, sondern mit weichem Wasser zubereitet, weil die Kalksalze des ersteren eine lösliche Verbindung mit dem Legumin eingehen. Ist kein weiches Wasser vorhanden, so nehme man etwas doppeltkohlensaures Natron.
Wenn wir trotz der Vorzüge der Hülsenfrüchte dieselben dennoch in größeren Mengen nicht genießen, so liegt es daran, dass sie schwer verdaulich sind und nicht von jedermann gut vertragen werden und daher für die Ernährung, das heißt den Stoffwechsel, nicht so gut ausgenützt werden, wie das Mehl der Getreidearten; da es den Hülsenfrüchten an Fett fehlt, ist es vernünftig, sie mit Speck oder fettem Fleisch oder mit reichlich Butter zu bereiten.
Um die Schwerverdaulichkeit der Hülsenfrüchte zu beseitigen, bereitet man aus ihnen in den Großindustrien Präparate, welche zuerst unter dem Namen Leguminose in den Handel kamen. Die ersten solche Präparate bereitete Kartenstein in Chemnitz. Jetzt gibt es eine sehr große Anzahl Fabriken, die sich damit beschäftigen, Suppenkonserven, Mehlprodukte und so weiter herzustellen. Von denen , welche ich geprüft habe, sind die vom Hohenlohe in Württemberg , Knorr in Heilbronn am Neckar und von Maggi die besten und schmackhaftesten. Für Kriegszwecke und Seefahrten hat man sogar Erbsen mit Speck in kompakte Massen gebracht, und die berühmte Erbswurst von Grüneberg aus dem Jahr 1870 ist wohl in Vieler Gedächtnis. Es war dies eine Mischung von Erbsmehl mit Fleisch, Fett, Zwiebeln und Gewürz, doch entsprach sie nicht der Haltbarkeit, das das Fett leicht ranzig wurde.
Alle Hülsenfrüchte müssen trocken gehalten und vor Milben geschützt werden.
Unter Mehlfrüchten verstehen wir solche, deren Hauptbestandteile Stärke ist. Dahin gehören:
- Weizen,
- Roggen,
- Gerste,
- Hafer,
- Mais,
- Spelz oder Dinkel,
- Reis.
Die Körner dieser Halm- oder Getreidearten werden, wenn sie reif sind, ausgedroschen, von den Hülsen befreit, in Mühlen zermahlen, durchgesiebt und zu feinerem Pulver zermalmt, das wir Mehl nennen.
Die Getreidekörner: Korn oder Roggen, Weizen, Hafer, Gerste, Reis, Mais, Hirse und Heidekorn oder Buchweizen und die Spielarten des Weizens: Grünkorn, Einkorn und Dinkelweizen oder Spelz nennen wir Brotfrüchte, weil uns ihr Mehl das unentbehrliche Nahrungsmittel, das tägliche Brot gibt. Durch die Bereitung desselben wird das in rohem Zustand fast unverdauliche Stärkemehl in eine lösliche Form gebracht. Die Gärung des Brotteiges durch Hefe oder Sauerteig verwandelt das Stärkemehl durch die sich entwickelnde Kohlensäure zum Teil in Zucker und macht das Brot locker. Die beim Backen sich bildende Kruste verhindert das Verdunsten der Feuchtigkeit.
Die Verwendung des Mehls ist außerdem eine in der Koch- und Backkunst äußerst mannigfaltige und unentbehrliche, bald als Bindemittel, bald als Hauptstoff.
Das Mehl zeigt bei gleicher Abstammung verschiedene Zusammensetzung, je nachdem beim Mahlen und Beuteln eine mehr oder weniger vollständige Trennung stickstoffreicher äußerer Schichten von dem inneren stärkemehlreichen Korn des Samens stattgefunden hat. In allen Mehlsorten des Handelns[?] findet man mehr Wasser als im Getreide. Man vermindert den Stockstoffgehalt durch entfernen der äußeren Schichten Kleber oder Kleie weil diese sonst das Gebäck und die Speise braun machen würden. Das Mehl wird um so feiner und weißer, je weniger Kleie es enthält, doch verliert es auch in demselben Grade an muskelbildendem Nährstoff.
Im mittleren Europa ist Roggen- und Weizenmehl zur Brot- und Kuchenbäckerei, sowie als Bindemittel der meisten Speisen am wichtigsten.
Je feiner das Mehl ist, desto mehr Flüssigkeit nimmt es an und desto mehr quillt es beim Kochen und Backen. Da das Mehl reich an leicht zersetzbaren Proteinkörpern ist, so muss man bei seiner Aufbewahrung besonders vorsichtig sein. Es muss sehr trocken lagern, weil im Feuchten Milchsäure, Buttersäure, Zucker und so weiter entsteht; der Kleber im Mehl verdirbt und verursacht einen muffigen, widerlichen Geruch und Geschmack, das Mehl klumpt sich zusammen und zugleich entwickeln sich Pilze, Infusorien und Milben.
Will man Mehl längere Zeit aufbewahren, ohne dass es seine guten Eigenschaften verliert, so muss es trocken lagern und häufig umgeschaufelt werden. Abschluss der Luft bei feuchter Witterung, strengste Reinlichkeit und öfteres Sieben bekämpft am wirksamsten die Schädlichkeiten, die dem Mehl durch Parasiten entstehen können. Es sind dies der Mehlkäfer, dessen gelbbraune Larve als Mehlwurm bekannt ist, die deutsche und orientalische Schabe , das sogenannte Fischchen, welches in Küchenschränken und Vorratsräumen oftmals vorkommt, und die Mehlmilbe. Außerdem findet sich bei feuchtem Mehl oft der Schimmelpilz, Verfälschungen des Weizen- und Roggenmehls mit anderen Getreidemehlsorten, mit Hülsenfruchtmehl oder Kartoffelstärke kann man nur durch das Mikroskop bei großer Übung erkennen.
Das Mehl wird als um so feiner und weißer betrachtet, je weniger Kleie es enthält, doch ist dieses auch am ärmsten an Nahrungsstoff. Die Zusammensetzung der wichtigsten Mehlsorten ist:
Feines Weizenmehl | Grobes Weizenmehl | Roggenmehl | Gerstenmehl | Hafermehl | |
---|---|---|---|---|---|
Wasser | 15,44 | 14,25 | 14 | 14 | 11,7 |
Stickstoffhaltige Substanz |
11,16 | 13,85 | 12,75 | 14,39 | 22,30 |
Zucker | 2,34 | 2,35 | 3,47 | 3,04 | 2,19 |
Gummi | 6,25 | 6,50 | 4,1 | 4,33 | 2,81 |
Fett | 1,07 | 1,26 | 1,80 | 1,23 | 5,63 |
Stärkemehl | 63,64 | 61,79 | 64,29 | 64,16 | 53,14 |
Man hat Weizenmehl in drei Sorten verschiedener Güte. Das feinste und beste ist das Auszugsmehl (fleur de farine) Nummer 00, dann das gewöhnliche Weizen- oder Grießmehl, Nummer 0, und das grobe oder schwarze Mehl, Nummer 1.
Gutes Mehl muss gelblichweiß, nicht bläulich oder rötlichweiß aussehen.
Das Stärkemehl bildet im Körper Fett, heißt daher Fettbildner.
Außer den oben genannten Mehlsorten wird dass Kleienmehl grob gemahlen, mit der Kleie bereitet. Diese Mehlsorte ist weit nahrhafter als die anderen. Nämlich Getreidekörner haben zwei Schichten; die innere enthält das Stärkemehl, die äußere den Kleber, einen Nährstoff ersten Ranges. Mahlt man feines Mehl, so wird der Kleber geradezu weg gerieben und fällt in die Kleie, beim Mahlen des groben Mehls bleibt aber ein großer Teil in demselben zurück. Daher ist das Kleienmehl nahrhafter. Das sogenannte Vegetarier- oder Grahambrot wird von solchem Kleienmehl bereitet und sehr empfohlen. Die Kleie wird zu verschiedenen Heilzwecken benutzt. Zu Bädern, besonders für schwächliche Kinder, zu Umschlägen bei Geschwüren und Pusteln, um die Eiterung schneller herbeizuführen, und endlich als Getränk bei Genesenden nach Krankheiten, die mit Ausleerungen verknüpft sind.
Die Erzeugnisse, welche noch außer dem Mehl aus den Getreidekörnern bereitet werden, dienen als Suppeneinlagen, als Grundstoff zu Speisen, als Beigemüse. Es sind: der Grieß, von denen der aus Weizen bereitete Wiener und der Leipziger Grieß der beste ist. Graupe, die feine heißt Perlgraupe, die gröbste Kälberzähne, ihrer Form nach.
Grütze wird bereitet aus Gerste, Hafer, Buchweizen. Die Gerstengraupe und die Hafergrütze werden bei Säuglingen zur Nahrung neben der Milch und gegen Verdauungsbeschwerden und Atmungskrankheiten, als schleimige Getränke angewendet. Auch zu Umschlägen bei Geschwulst und Geschwüren, zur Zeitigung der Eiterung oder zur Zerteilung verwendet man Hafergrütze.
Grünkörner [Grünkern] nennt man die unreifen, gedörrten Körner des Spelz zu Suppeneinlagen. Da diese Körner teuer sind, erhält man sie oft gefälscht, nämlich statt ihrer das geringwertige Einkorn, auch Samen eines Grashalms. Schwaden, beliebte Suppeneinlage, ist der Samen des Mannagrases.
Hirse, Körner einer Grasart aus der Familie der Fennichelgräser.
Mais oder Wälschkorn kommt aus dem Süden, gibt gelbes, nicht so kleberreiches Mehl als der Weizen, und ist fetter. Maizena und Mondamin ist das Stärkemehl aus Mais.
Haidekorn oder Buchweizen ist in Polen besonders beliebt, teils als Mehl zu Klößen, teils als Mus gekocht.
Reis ist das Korn einer Sumpfpflanze, die selten auf Bergen, oder auf trockenem Boden wächst, wie in Ostindien. Von allen Getreidearten hat Reis den größten Stärkegehalt und wenigsten Kleber. Die beste Sorte ist der Karolina-Reis aus Nordamerika, durchsichtig, weiß, grobkörnig; ost- und westindischer Reis hat einen rötlichen Streifen, Java-Reis ist gelblich. Italienischer und ägyptischer Reis ist weit geringer als die anderen Sorten.
Salep ist ein schleimiges Stärkemehl, bereitet aus den Wurzelknollen verschiedener Orchis-Arten. Den Salep gibt man Kindern, welche an Diarrhöen leiden, als Zusatz zur Speise. Man lässt ihn im kochenden Wasser längere Zeit quellen.
Sago. Der echte ist das Mark der Sagopalme, in ungleichmäßigen Klümpchen oder rundlichen Körnern. Der amerikanische Sago ist aus dem Stärkemehl der Batatepflanze bereitet. Der Portland-Sago wird aus der Wurzel von Arum maculatum in Amerika und England gewonnen. Der deutsche Sago wird aus dem Stärkemwhl der Kartoffel fabriziert. Man verkauft ihn als Perlsago, groß- und kleinkörnig, weiß, braun oder rot.
Arrowroot, das sehr feine und reine Stärkemehl der Pfeilwurzel erhalten wir aus Ost-, Westindien und Amerika aber es wird sehr oft verfälscht in den Handel gebracht.
Das für unser Leben wichtigste Gebäck, das wir aus dem Mehl bereiten, und zwar aus Weizen und Roggen, ist das Brot. Sein Hauptbestandteil ist Mehl, , aber dieses wird unter dem Einfluss des Wassers, der Wärme und des Sauerteigs umgewandelt, und zwar in Dextrin, Zucker, Alkohol und Kohlensäure. Die Rinde, welche viel Dextrin enthält und durch das Backen ausgetrocknet ist, lässt sich weit leichter verdauen, als das innere Weiche.
Für Kinder und kränkliche Personen ist das Weißbrot zuträglicher als das mit Sauerteig bereitete Schwarzbrot, das Weizenbrot leichter verdaulich als Roggenbrot, welches dagegen, als tägliche Speise genossen, für Erwachsene und Gesunde einen herzhaften Geschmack hat. Gutes ausgebackenes, reines und nicht ganz frisches, also ausgetrocknetes Roggenbrot soll nährender noch sein als Weizenbrot. Zu frisch genossenes Brot verursacht, besonders in größeren Portionen verzehrt, Magenschmerzen; schädlich ist altes Brot, das feucht lag und schimmelte, noch schädlicher Roggenbrot, das durch Mutterkorn verunreinigt ist. Dasselbe ist an violetten Flecken und scharfem Geruch und Geschmack kenntlich. — Um ein schön aufgelockertes Brot zu erhalten, nehmen die Bäcker oft Zusätze von kohlensaurem Natron oder Ammoniak, was nicht gut schmeckt; um den Geschmack von zu saurem Brot zu mildern, setzen sie Pottasche, Soda, Kalkwasser, kohlensaure Magnesia zu, was auch den Geschmack nicht verbessert. So gefälschtes Brot ist ein unverzeihlicher Betrug, da es der täglichen Nahrung dient.
Außer dem Weizen- und Roggenmehl nimmt man zur Brotbereitung je nach den Gegenden, wo der Anbau am stärksten ist, Hafermehl, Gerstenmehl, Mais- und Reismehl, auch mischt man das Mehl von Hülsenfrüchten darunter. Doch keines erreicht an Güte unser reines Weizen- und Roggenbrot.
Um den Teig zur Gärung zu bringen, bedient man sich bei der Bereitung des Roggenbrotes des Sauerteigs, bei Weizenbrot der Hefe.
Die Hauptbedingungen eines guten Brotes sind: gute Beschaffenheit des Mehls, richtige Temperatur des Wassers, das sehr rein sein muss, die im Verhältnis stehende Menge und Güte des Sauerteigs oder der Hefe, das gehörige Salz und die aufmerksame Berietung des Teiges. Wir bringen Brotrezepte an der dazu geeigneten Stelle.
In Wahrheit ist das Brot eine unentbehrliche Zukost zu allen Mahlzeiten, was hingegen diejenigen am meisten empfinden mögen, die es ihrer Leiden wegen fast ganz entbehren sollen, wie die Fettsüchtigen und Zuckerkranken. Zugleich ist Brot dasjenige Lebensmittel, das wir von der Kindheit bis zum Lebensende täglich genießen können, ohne dass es uns zuwider wird. Allein und ohne Zukost genossen ist es jedoch nie ein ausreichendes Nahrungsmittel, denn wollte man so viel Brot genießen als notwendig ist, um das gehörige Quantum Eiweiß und Fett zu erhalten, so würden wir es schwer verdauen können und die schmerzhaftesten Darmbeschwerden haben. Es ist daher durchaus vernünftig und notwendig, zum Brot Fette, Käse, Fleisch und Eier zu genießen, außerdem Getränke, wie Milch, Schokolade, Tee, Kaffee oder Obst, um das Brot leichter verdauen zu können. Zu vermeiden ist zu frisch gebackenes Brot, welches sich im Magen fest zusammenklumpt. Da das Brot ein täglicher Bedarfsartikel ist, wird es Pflicht der Hausfrauen, danach zu forschen, wo das beste Brot zu haben ist, das heißt das schmackhafteste, wohl ausgebacken und keines, das einen sauren Nachgeschmack hinterlässt. Welche Brotsorte die nahrhafteste ist, ließ sich trotz aller Versuche von Liebig, v Boit, Prof. Dr. Pettenkofer, Dr. Wagner mit absoluter Sicherheit noch nicht feststellen. In einigen Ländern, wie Deutschland und Russland, zieht man das Schwarzbrot vor, in allen romanischen Ländern das Weißbrot.
Was das feine Gebäck und die aus Mehl bereiteten Speisen anbelangt, so sind sie der Gesundheit bei normalen Naturen nur dann schädlich, wenn sie zu viel Fett und Zucker enthalten, mit gesundheitsschädlichen Mitteln zur Lockerung bereitet, oder zu frisch und im Übermaß genossen werden. Fette Personen, sowie Zuckerkranke müssen sich des feinen Gebäcks und der Mehlspeisen enthalten.