Illustriertes Universal – Kochbuch

Lina Morgenstern

VIII. Die Früchte und das Obst

Wir kommen jetzt an eine Gattung von Genussmitteln, welche weniger ihres Nährwertes, als ihres feinen Geschmacks, ihrer angenehmen Säure und ihres Wohlgeruchs wegen genossen wird, bald roh und für sich allein, halb gekocht, gedämpft oder in Zucker, Essig und Alkohol eingemacht, getrocknet, kandiert, in Verbindung mit Speisen, als Füllung von Backwerk, in Form von Fruchtsaft oder Wein. Ich möchte die Früchte die poetische Nahrung des Menschen nennen, doch kann sie nicht jeder Magen vertragen. Das Obst, das heißt die Baum-, Strauch- und Rankenfrüchte können auch als Nahrungsmittel benutzt werden. Ihre Wirkung beruht außer auf dem vorhandenen Zucker auf dem Gehalt an verschiedenen organischen Säuren. Bei Kindern sind Früchte während der Entwicklung und des Wachstums ungemein wertvoll und empfehlenswert, besonders reifes gutes Kernobst, Birnen, Äpfel und Trauben und folgende Beerenarten: Himbeeren, Erdbeeren, Johannisbeeren. Viele Früchte werden teils als Heilmittel verwendet, viele zu erfrischenden Getränken für Leidende und Genesende. Einige unter ihnen machen eine Ausnahme und bieten neben dem Genuss auch reichlich Nahrung, wie z.B. die Banane, die Dattel, die Kastanie, die Feige, besonders die getrocknete.

Sorgfältig ausgeführte Analysen haben ergeben, dass der Apfel eine viel größere Menge Phosphor enthält, als irgend eine andere Frucht oder ein Gemüse, und dass daher diese Fruchtgattung den geistig angestrengten, eine sitzende Lebensweise führenden Menschen, der an der Trägheit der Funktionen im Darmkanal leidet, zum Genuss sehr empfohlen werden kann, um so mehr, als sie außer Phosphor (Hauptbestandteile der Gehirnfette) gewisse Säuren enthält, die vor Gelbsucht, Schlaflosigkeit und Hautkrankheiten schützen.

Wenn die übrigen Früchte auch nicht so viel Nährwert besitzen, so sind sie alle, wenn sie reif sind, gesund, besonders die Säure enthaltenden, welche man sogar als Arzneimittel gegen Fieber wählt, z.B,:

Die Erdbeeren gelten als vortreffliches Mittel gegen Eingeweidewürmer und selbst den Bandwurm (Dr. Miel). Ferner haben alle Früchte mit Säuren den Vorzug, die Verdauung zu befördern. Äpfel und Weintrauben werden zur Blutreinigung und gegen viele Übel, welche auf Trägheit des Darmkanals beruhen, empfohlen, und von den Mandeln und anderen Öl enthaltenden Früchten bereitet man beruhigende Medikamente. Alle Früchte sollen roh nur ganz reif genossen werden. Die fleischigsaftigen, süßen Früchte, wie Pflaumen, Kirschen, Aprikosen, Pfirsiche und Weintrauben verdünnen das Blut, sind aber wenig nahrhaft.

Die wässrigen Früchte, wie Kürbis, Melonen und Gurken, sind schwer verdaulich, ebenso die Ananas, und dürfen nur mit Zusätzen von Zucker, Salz, Ingwer oder eingekocht und eingelegt genossen werden. Heidel- und Preiselbeeren verträgt man fast nur mit Zucker gekocht.

Für den Küchengebrauch ist uns die Zitrone ihrer reinen Säure und des Aromas ihrer Schale wegen sehr nützlich. Wir verbrauchen sie als Würze und Beize in Saucen, Braten, Speisen und Backwerken. Wir bereiten von ihr ein kühlendes Getränk, wir zuckern die dickschalige Zedratzitrone ein oder kandieren sie und erhalten Zitronat als würze der Speisen. Die Ärzte — besonders die amerikanischen — geben Zitronensaft als Mittel gegen heftigen Rheumatismus; auch wendet man die Zitronenkur (gezuckerten Zitronensaft) gegen Wassersucht und Hämorrhoiden an, ferner auch reinen Zitronensaft gegen Skorbut und gegen Diphtherie.

Unter Orangen verstehen wir die süßen Orange-Apfelsinen und Mandarinen und die bitteren Pomeranzen. Eingemachte Pomeranzenschalen gibt man zur Magenstärkung, von den unreifen Pomeranzen bereitet man Pomeranzen-Likör, die getrocknete Schale dient als Speisegewürz. Die Pomeranzen und Apfelsinen schmecken sowohl frisch, als kandiert und eingelegt.

Quitten haben eine für Viele angenehmes Aroma und werden in manchen Ländern, wie Ungarn und Österreich, sehr geschätzt. Mit Zucker zu Brei zerkocht sind sie ein Hausmittel um Gurgeln bei Halsentzündungen, Quittengelee ist gut bei Bronchialkatarrh, die Quittenkörner benutzt man wegen ihres reichen Schleimgehalts als Arzneimittel. Als Genussm ittel wird der Saft zu Gelee und Marmelade verkocht, auch wird ein Obstwein und Likör aus ihnen bereitet. Es gibt zwei Arten: Quittenbirne und Quittenapfel, die ersteren sind die besseren.

Von dem Steinobst:

sowie von dem Schälobst

bereitet die Kochkunst Kompott, Konserven, Mus, Marmelade, Gelee und Saft. Dasselbe gilt auch von dem gesamten Beerenobst. Außer den Weintrauben werden auch die folgenden Beerensorten als Arzneimittel verwandt:

Ich hätte nun noch das Schalenobst zu erwähnen:

und ihre Wirkung auf die Gesundheit.

Die Mandeln, Fruchtkerne des gemeinen Mandelbaums, haben zwei Spielarten, süße und bittere,; sie sind reich an Öl und Eiweiß, die bitteren enthalten Amygdalin, welches, wenn es Wasser aufnimmt, unter dem Einfluss eines anderen in der Mandel enthaltenen Stoffes, dem Emulsin, in Zucker, Bittermandelöl und Blausäure zerfällt. Die Wirkung hört auf, wenn man die Mandeln einer Temperatur von 80° R [?][° C] aussetzt, doch können bittere Mandeln namentlich bei Kindern zu Vergiftungen Anlass geben. Mandelmilch, aus zerriebenen süßen Mandeln mit Zucker und Wasser vermischt, ist ein diätetisches Mittel gegen Diarrhö.

Die Walnuss wird schon als unreife Frucht, ehe die Schale verholzt ist, mit Zucker eingekocht. Die reifen Früchte genießt man roh; sie sind zur Bereitung süßer Speisen, Torten, Gebäck und Konfekt sehr beliebt, aber wegen ihres reichen Gehalts an Öl schwer verdaulich. Dasselbe gilt vom der Haselnuss. Die fettreichen, scharf dreikantigen Nüsse nehmen leicht einen ranzigen Geschmack an.

Auch die Pistazien oder Pimpernüsse werden leicht verdorben und müssen an kühlen, trockenen Orten offen hingestellt, wie alle Nussarten, aufgehoben werden.

Die echten Kastanien, im Handel Maronen genannt, sind reich an Zucker und Stärke; da sich die letztere zum Teil beim Rösten in Zucker verwandelt, schmecken sie so süßer als roh genossen. In Tirol, Italien und Spanien sind sie Volksnahrung.

Die Eicheln, die Früchte der Eiche, enthalten neben Stärkemehl und Zucker auch 6 – 8 % Gerbsäure, wonach sie herbe und bitter schmecken. Gerade dieser Gehalt an Gerbsäure macht das geröstete Mehl als »Eichelkaffee« zu einem gesunden Getränk für Kinder, die an Stropheln leiden.

Die unterirdische Eichel oder Erdnuss liefert ein gutes Speiseöl. — Die Kokosnuss enthält im unreifen Zustand eine milchähnliche Flüssigkeit, die als kühlendes Getränk beliebt ist. Ist die Kokosnuss reif, so erhärtet sie zu einem Kern, der roh und gekocht als ein wichtiges Nahrungsmittel in den Tropenländern genossen wird. Aus der Kokosnuss wird, gegoren und destilliert, der ostindische Arrak bereitet. Neuestens bereitet man Kokosnussbutter, welche in der Fabrik von Müller in Mannheim so vorzüglich hergestellt wird, dass man sie als reines und sparsames Speisefett anwenden kann.