Illustriertes Universal – Kochbuch

Lina Morgenstern

Die Reptilien, Amphibien, Krusten- und Weichtiere.

Zu der Kost des Menschen liefert auch das Fleisch der wirbellosen Tiere, wie das der Reptilien, Schalen- und Krustentiere, der Weichtiere oder Mollusken, der Sterntiere oder Stacheltiere und der Pflanzentiere mehr oder weniger wertvolle Beiträge.

Von den Reptilien wird nur die Schildkröte genossen, und zwar die große Seeschildkröte, von der man besonders eine delikate Suppe bereitet. Die Schildkröten haben ein zähes Leben, werden sehr alt und pflanzen sich durch Eier fort, die sie zu Hunderten in den Sand legen und von der Sonnenwärme ausbrüten lassen. Die Eier der Schildkröte sind ebenso essbar, wie ihr Fleisch.

Aus der Klasse der Amphibien genießt man die Frösche, und zwar nur die Keulen derselben, die auch für Kranke, namentlich Magenkranke, eine nahrhafte und leicht verdauliche Speise sein sollen und als Suppeneinlage oder gebacken ihr Verwendung finden.

Aus der Klasse der Krustentiere nenne ich die Krebse: Die Flusskrebse, die man an den Uferlöchern findet, die aber das klare Wasser lieben, nachts auf den Fang der Nahrung ausgehen, und dabei gefangen werden.

Die Bach- oder Steinkrebse sind kleiner und dunkler, aber wohlschmeckender, als die ersteren. Die Teichkrebse haben nie einen so angenehmen Geschmack, wie die anderen Arten, die in klar fließendem Wasser leben. Sie nähren sich von Aas, Wasserinsekten, Gewürm, Fröschen und Schnecken, haben eine schwarz-grüne, nach dem Kochen rote Schale, die sie alle Jahre ablegen und allmählich eine neue zu bekommen, was bei den Männchen im Mai und Juni, bei den Weibchen im Herbst geschieht. Die Scheren sind ungleich nach innen fein gezahnt, beim Weibchen schmäler als beim Männchen, während das Männchen einen schmäleren Schwanz hat. Das Männchen hat drei Paar, das Weibchen fünf Paar Füße, mit denen sie mehr rückwärts als vorwärts gehen.
Ihr Fleisch ist zart, nahrhaft und saftig. Sie spielen eine große Rolle in der Kochkunst. Am besten sind sie in den Sommermonaten vom Mai bis August, während sie im Herbst und Winter sehr an Wohlgeschmack verlieren. Die Seekrebse gleichen den Fluss- und Teichkrebsen an Gestalt und Farbe und unterscheiden sich nur durch die Größe. Die kleinsten, die Krevetten oder Garnelenkrebse, auch Solikoken, werden wegen ihres Wohlgeschmacks sehr geschätzt und verschieden zubereitet.

Auch aus der Gattung der Krabben, Kurzschwänze und Taschenkrebse werden mehrere Arten gegessen. Die wohlschmeckendste ist die Sammelkrabbe in der Nordsee und im Mittelmeer, doch gehören sie zu den schwer verdaulichen Lebensmitteln.l Es gibt viele Menschen, die keinerlei Art Krebse vertragen können, nach deren Genuss erkranken und Hautausschlag bekommen, eine Art Nesselsucht.

Der Hummer, der sich am häufigsten in der Ost- und Nordsee aufhält, ist die größte Art; er lebt lieber auf steinigem, als auf schlammigem Grunde. Sein Fleisch ist weniger zart, grobfaserig und daher schwerer zu verdauen als der Flusskrebs. Die Hummer werden sehr groß. Es gibt Riesenhummer von 90 cm Länge, sie werden bis zu 6 kg schwer. Die mittelgroßen sind auch hier die besten, Die Hummersaison beginnt im April und dauert bis Oktober. Verdorbenes Hummerfleisch ist sehr schädlich, weshalb man sehr vorsichtig beim Einkauf sein muss, ebenso wenn man Hummer in Gasthäusern ist. Man merkt die Frische oder die Fäulnis am Geruch. Das Fleisch der Männchen ist zarter, als das der Weibchen, dagegen werden diese der Eier wegen sehr geschätzt, die man zu Saucen, Garnierungen und Zutaten benutzt. Der Hummerfang geschieht mittels zylinderförmigen, aus Birkenruten geflochteten Körben, in die man eine Lockspeise legt, die Körbe werden ins Meer versenkt, um sie nach Verlauf von einiger Zeit mit den darin enthaltenen Hummern wieder heraufziehen.

Die Seespinne, ein Krebs ohne Scheren, die man im Mittelmeer findet, wird wie der Hummer behandelt.

Aus der Klasse der Weichtiere wird die Gartenschnecke gegessen. Sie ist sehr reich an Leimstoff, weshalb sie nur in Säuren gut verdaut wird. Die Brühe gesottener Schnecken betrachtet man als ein Mittel gegen Lungenkrankheiten. Die beliebteste Schnecke ist die große Weinbergschnecke. Sie hat ein 5 cm großes Haus von weißlicher, blassbrauner Farbe mit vier dunklen Flecken. Man sammelt sie im herbst, Winter und Frühling. In Württemberg, Bayern und der Schweiz werden sie in sogenannten Schneckengärten gepflegt und mit Salatblättern, Kräutern und Weizenkleie gemästet. Im Oktober werden sie dann gesammelt, in Fässer gepackt und versandt. Sie bilden in katholischen Ländern ein beliebtes Fastengericht. Auß0er den genannten Schnecken verzehrt man das Midasohr, den Goldmund und die Krauchelschnecke.

Die Auster gehört zu den Mollusken oder Weichtieren. Sie ist in einer zweischaligen Muschel eingeschlossen, deren linke dickere Schale, mit der sie am Boden festsitzt, etwas gewölbt ist, während die flache Schale gleichsam den beweglichen Deckel bildet. Kopf und Fuß fehlen ihnen; die Kiemen sind am äußeren Rand miteinander verwachsen und an seinem freiliegenden dicken Rand einfach oder doppelt gefranst, und diese Fransen nebst den Kiemenblättern bilden den sogenannten Bart. Der sehr große Schließmuskel liegt in der Mitte des Tieres. Die Austern leben im Meer auf den Austernbänken kolonienweise. Man legt sie so zu ihrer Veredelungszucht an. Wo die Bänke während der Ebbe trocken liegen, nimmt man sie mit der Hand ab und bei tieferem Wasser bedient man sich des austernrecchens oder Scharrnetzes, um sie zu fangen. Für Deutschland sind die Austernbänke in Schleswig-Holstein; für England, wo man die feinsten Austern herbekommt, gibt es überall am Meer Austern und wohlgepflegte, hierzu bestimmte Parks. Den besten Ruf genießen die französischen und italienischen Austern, die Arsenal-Auster in Venedig und die Pfahl-Auster in Triest. Die größten und fettesten, wie zahlreichsten Austern hat Nordamerika. Die Austernzeit ist in den Monaten mit «R». Die Auster ist leicht verdaulich und von großem Nährwert, weil sie meist aus Eiweiß besteht. Am verdaulichsten sind sie roh genossen mit Zitronensaft, auch besonders Kranken empfehlenswert. Wunderbar ist, wie viel Austern ein Feinschmecker vertragen kann, es soll deren geben, die 144 essen und dies als Eingangsgericht zu einer feinen Mahlzeit betrachten. Sehr schwer verdaulich sind gekochte Austern; man darf sie nur im Wasserbade erhitzen, nicht sieden.

Die Austern, die zu den gesuchtesten Leckerbissen gehören, werden oft durch Krankheit und andere schädliche Einwirkungen wiederum eine Krankheit erzeugende Speise; daher wohl darauf zu achten, ob sie keine Schädlichen Stoffe enthalten, bevor man sie genießt. Zur Zeit, wo die Austern ihre reifen Eier abstreifen, sind sie nicht nur von unangenehmen Geschmack, sondern auch der Gesundheit nachteilig. In den ersten Monaten des Sommers findet dies statt, wie überhaupt die Auster in den heißen Monaten sich in einem gewissen Krankheitszustand befindet. Die sicheren Zeichen, dass die Auster nicht gesund ist, sind, wenn das Fleisch nicht derb und fest ist, sondern locker und in der Schale schlottert, eine bläuliche Farbe hat und von einem weißen, milchigen Saft umgeben ist. Abgesehen davon, dass der Sommer die Laichzeit der Auster ist, was sie ungenießbar macht, trägt auch die Art der Ernährung dazu bei; nämlich um diese Zeit verspeist die Auster viel Laich von Seesternen, und dies wirkt nachteilig auf sie und somit wie Gift auf den Menschen.

Die Miesmuschel ist unter den zahllosen Muscheln, die im Meer leben und von denen nur wenige essbar sind, die bekannteste und wohlschmeckendste. Sie hat blauschwarze Schalen, die auf beiden Seiten gleich gewölbt sind, von länglicher, fast dreieckiger Form. Der Mantel ist schwarz-rot und gefranst, der Bart lang. Besonders gut sind die aus Kiel und Flensburg. Sie sind schwerer verdaulich, als die Austern. Man darf sie nur im Herbst und Winter sammeln und versenden; man hat beim Einkauf darauf zu achten, ob die Schalen fest geschlossen sind, auch erkennt man am Geruch, ob sie frisch sind. Beim Kochen kennzeichnen sich frische Muscheln dadurch, dass sich ihr Fleisch nur hellrötlich färbt; wenn es sich dunkelrot färbt sind die Muscheln schlecht und müssen fortgeworfen werden, da sie giftig sind. Die Miesmuschel findet Verwendung zu Suppen, Saucen, Salat, Ragout und Pasteten. Alle Muscheln müssen vor der Zubereitung 5 – 6 Stunden in oft gewechseltem Wasser wässern und dabei mit einem kleinen Besen untereinander gerührt werden um sie gehörig zu säubern.

Genießbar sind noch Sterntiere, also die essbare Seegurke und der Trepank [?]. In Italien isst man von Polypen die Sanktuemanen [?] und die gemeine Segelqualle.